Am Montag, den 3. Juni 2024, sind wir nach Erfurt zum Innenministerium gefahren, um mit Staatssekretärin Katharina Schenk (SPD) und der Integrationsbeauftragten Mirjam Kruppa (Grüne) zu sprechen.
Zuerst haben wir erneut die Probleme im Lager (Erstaufnahme-Einrichtung) Hermsdorf geschildert, die bereits bekannt sind: Wir waren dort monatelang mit 700 Leuten in einer Lagerhalle untergebracht, hatten keinerlei Privatsphäre, zu wenig und sehr schlechtes, manchmal sogar verdorbenes Essen, praktisch keinen Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und litten unter rassistischen Demütigungen durch das Lagerpersonal. Vor allem der Lagerleiter Tobias Krauße hat sich sehr oft rassistisch verhalten. Wir wollen hier nur ein Beispiel nennen: Eine Person, die bereits 9 Monate in Hermsdorf verbracht hat, ging zu Herrn Krauße, um sich nach seiner rechtlichen Situation zu erkundigen und weil er schwere gesundheitliche (von einem Arzt in Deutschland bestätigte) Probleme hat. Herr Krauße fragte nach seinem Ausweis. Als er sah, dass diese Person aus Palästina stammte, warf er ihm den Ausweis ins Gesicht und sagte ihm: „Du bist aus Palästina, Du wirst der letzte sein, der von hier weggeht! Du bist ein Terrorist!“
Auch wurden unsere Ausweise nicht aktualisiert, manche von uns sind seit März ohne gültige Papiere, weil wir nicht wissen, welche Behörde für die Verarbeitung dieser Daten zuständig ist, und wenn wir uns an die Ausländerbehörde oder an Sozialarbeiter*innen oder das DRK wenden, sagen sie uns, dass sie für Ihre Verfahren nicht zuständig sind.
Außerdem wurden uns seit Monaten, teilweise seit über einem Jahr Grundrechte verwehrt, wie es immer der Fall ist, solange Geflüchtete ohne Anerkennung ihres Asylgesuches in einer Erstaufnahme-Einrichtung leben: Wir haben keine Krankenversicherung, keine Deutschkurse, dürfen nicht arbeiten und den Landkreis nicht verlassen, nicht einmal um unsere Familie im Nachbarkreis zu besuchen. Daher fordern wir schon lange die Unterbringung in einem Heim (Gemeinschaftsunterkunft), wo uns all diese Rechte gewährt werden. Einige von uns haben sogar schon eine Anerkennung vom BAMF erhalten, trotzdem werden wir im Lager festgehalten, was nicht rechtens ist.
Letzten Freitag, am 31. Mai 2024, wurden wir nach Jena, zur ehemaligen Frauenklinik gebracht. Einigen von uns war gesagt worden, es handele sich endlich um ein Heim. Andere wussten schon, dass es wieder ein Lager ist, daher weigerten sie sich, dorthin zu gehen, weil sie dort wieder dasselbe erleiden würden, was sie in Hermsdorf erlitten hatten. Aber sie wurden gezwungen, dennoch in den Bus nach Jena zu steigen. Ihnen wurde vom Lagerleiter Tobias Krause gedroht, dass sonst die Polizei gerufen würde, dass ihr Asylverfahren abgebrochen oder sogar ihr positiver Bescheid vom BAMF entzogen würde!
Als wir in Jena ankamen, weigerten wir uns, diesen erneuten Betrug hinzunehmen! Es wäre für uns alle das dritte oder sogar vierte „Erstaufnahme-Lager“ gewesen, in das wir gebracht werden. Wir wollen nicht mehr im Lager leben – egal in welcher Stadt – sondern endlich in einem Heim, so dass wir Deutschkurse belegen und arbeiten können, unsere Verwandten besuchen, Krankenversicherung und Sozialleistung erhalten! Wir wollen unsere Grundrechte, denn wir sind Menschen, keine Dinge!
Also gingen wir nicht in das Lager, sondern friedlich demonstrieren. Über das Wochenende wurden wir von solidarischen Menschen in ihren Wohnungen aufgenommen. Wir sprachen auch mit Bekannten in verschiedenen Heimen in Thüringen und zählten mindestens 104 Plätze, die dort frei sind. All das erzählten wir gestern Frau Schenk und zeigten ihr die Liste mit den freien Plätzen. Viele Unterstützer*innen hatten ihr vorher schon eine E-Mail geschickt, in der unsere Forderung nach dem Transfer in ein Heim stand und auch die Liste mit den freien Plätzen. Doch sie sagte, sie verstehe nicht, was wir wollen, und dass sie die Liste zum ersten Mal sieht. Sie sagte, dass es ein großer Erfolg von ihr ist, dass Hermsdorf geschlossen ist und in Jena sei es viel besser. Wir wiederholen: Es geht uns nicht um die Stadt. Wir wollen nicht mehr in einem LAGER (EAE) leben, sondern unsere Rechte erhalten und endlich in ein HEIM (GU) kommen!!! Wir würden sogar noch ein bis zwei Monate in Hermsdorf bleiben, wenn wir die Sicherheit hätten, danach endlich in einem Heim zu wohnen.
Frau Schenk fotografierte die Liste mit den 104 freien Plätzen, aber sie sagte, sie könnte uns nicht einfach auf die freien Plätze verteilen, weil das die Kommunen und Städte entscheiden müssen. Sie sagte, sie will bei allen nachfragen, aber sie kann nichts versprechen. Außerdem können nicht 2 oder 3 Leute Transfer bekommen, sondern sie warten immer, bis irgendwo viele Unterkünfte gefunden werden, und dann ziehen ein paar Dutzend Leute, zwischen 25 und 40, gemeinsam um.
Manche von uns könnten auch bei Verwandten in Thüringen leben, die noch Platz in ihren Wohnungen haben. Aber sie sagte nur, das könnt ihr versuchen. Sie konnte uns überhaupt keine festen Zusagen machen. Und sie konnte uns genauso wenig sagen, an wen wir uns wenden müssen.
Wer ist dafür verantwortlich, dass wir endlich in ein Heim kommen? Das Landesverwaltungsamt. Aber wer beim Landesverwaltungsamt? Wir haben auch dort schon gefragt und keine Antwort erhalten.
Können Sie uns nicht auch in dem Haus in Jena die Rechte und Möglichkeiten wie in einem Heim geben? Nein.
Die einzige Zusage, die sie machte, war, dass es keine negativen Konsequenzen für uns haben würde, dass wir das vergangene Wochenende über nicht im Lager, sondern bei Freund*innen gewohnt haben. Aber wenn wir nicht zum Lager in Jena gehen, werden wir als fehlend gemeldet und unsere Asylverfahren werden abgebrochen. Eine Mitarbeiterin des Lagers in Jena hatte gedroht, wir würden einen „roten Punkt“ in unserem Asylverfahren erhalten. Frau Schenk wusste davon nichts und wollte sich darum kümmern.
Sie sagte auch, das Lager in Jena würde Ende Juni geschlossen werden, dann würden wir wahrscheinlich einen Transfer in ein Heim erhalten. Könnte sie uns das schriftlich geben? Nein. Doch das Lager in Jena sollte auch Ende Mai schon geschlossen werden. Hermsdorf sollte schon im Januar geschlossen werden, dann März, dann Mai, nun am 20. Juni. Wer gibt uns die Garantie, dass aus dem einen Monat nicht wieder mehrere Monate werden? Sie sagte, da müssten wir vertrauen.
Wie sollen wir noch vertrauen, wenn wir seit vielen Monaten immer wieder belogen werden? Wir sagten ihr: „Wir können nicht mehr glauben, was Sie sagen.“ Darauf fragte sie: „Warum sind Sie dann hier, wenn Sie mir nicht glauben?“ An wen sonst sollen wir uns denn wenden???
Sie sagte immer nur, das ist nicht ihre Verantwortung, aber nicht, wer die Verantwortung hat. Viele unserer Fragen überging sie einfach, sie machten sie wütend.
Für sie sind wir in dem Lager in Jena, ganz gleich was wir tun. Wir könnten auch auf der Straße schlafen, das ist ihr egal. Also boten unsere Unterstützer*innen an, dass wir noch 1 bis 2 Wochen länger in ihren Wohnungen wohnen können, bis eine Lösung gefunden ist. Doch Frau Schenk sagte: „Nein, das geht nicht!“Und wenn wir nicht zum Aufnahmezentrum in Jena gehen (wir wiederholen es zum zweiten Mal), werden wir vom BAMF als fehlend eingestuft und unser Asylverfahren wird beendet! So sieht es aus, wir sollen lieber auf der Straße schlafen, als zu Hause bei unseren Freund*innen oder in einem Heim! Wir sagen ganz klar: Der einzige Grund, warum wir ins Lager zurückgegangen sind, war die Drohung von Frau Schenk, dass wir aus dem Aysl-Verfahren rausgeworfen werden.
Wir sind sehr wütend, dass wir so behandelt werden und uns unsere grundlegenden Rechte als Menschen verwehrt werden!
Doch wir sind auch dankbar für all die Solidarität, die wir in diesen Tagen erfahren haben! Wir möchten uns bei all den Menschen bedanken, die sich in dieser Zeit solidarisch mit uns gezeigt haben, um uns zu unterstützen: Diejenigen, die sich in ihrer Wohnungen eingeladen haben, Seebrücke Jena für die langfristige Unterstützung in Hermsdorf sowie nun in Jena, das Bündnis Rechtsruck Stoppen, das uns den Raum im besetzten Hörsaal gegeben hat, Fridays for Future, die uns auf ihrer Klimastreik-Demonstration sprechen ließen, das Theater die Schotte in Erfurt, das uns am Montag aufgenommen hat, das Netz der Rebellion für die Verbreitung unserer Forderungen und so viele mehr.
Wir sagen: Wir werden weiter protestieren, bis wir unseren Transfer in Heime bekommen und wenn wir sie nicht bis Ende Juni bekommen, werden wir wieder nach Erfurt kommen und vor dem Innenministerium protestieren.
Bewohner der EAE Frauenklinik Jena, vorher der EAE Hermsdorf